Anrechnung und sonstige Berücksichtigung
Schenkungen, die jemand zu Lebzeiten macht, haben in aller Regel keine erbrechtliche Auswirkung. Innerhalb der Familie bringen Schenkungen aber oft Meinungsverschiedenheiten mit sich, nämlich dann, wenn ein Elternteil verstirbt, der den Kindern Schenkungen von unterschiedlichem Wert gemacht hat. Es gibt zwar für diese Fälle eine Ausgleichsregelung, doch liegen die Voraussetzungen für eine sogenannte Ausgleichung selten vor.
Der Fall mit der größten praktischen Bedeutung ist der, dass bei der Schenkung selbst eine spätere Ausgleichung angeordnet wird. Eine solche Anordnung erfolgt aber nur, wenn die Beteiligten sich über die rechtliche Wirkung einer Schenkung Gedanken gemacht haben. Vielfach unterbleiben solche Gedanken,
weil die Beteiligten glauben, es werde schon alles im Gesetz so geregelt sein, dass der elterliche Nachlass etwa zu gleichen Teilen an die Kinder gelangt. Diese Annahme trifft zwar für den echten Nachlass zu, also für die Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt des Todes noch vorhanden sind. Fanden aber im Vorfeld Schenkungen statt, so vermutet das Gesetz, dass im Regelfall ein Ausgleich unter den Abkömmlingen nicht gewollt war, wenn es an einer entsprechenden Anordnung fehlt.
Immer wieder ist im Zusammenhang mit Schenkungen und deren erbrechtlicher Anrechnung von der Zehnjahresfrist die Rede. Diese Frist spielt allerdings nur im Pflichtteilsrecht eine Rolle. Voraussetzung ist also, dass einer der Beteiligten von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Dann kann er unter Umständen verlangen, dass Schenkungen, die der Erblasser vorgenommen hat, dem Nachlass fiktiv wieder hinzugerechnet wird,
so dass sich der Pflichtteilsanspruch erhöht. Man spricht dann von einem Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Sind aber, wie in den meisten Fällen, die Pflichtteilsberechtigten zugleich Erben, sei es nach dem Gesetz oder nach einem Testament, so spielt diese Frist keine Rolle. Es wird vielmehr unabhängig von einer Frist geprüft, ob ein Ausgleich unter den Erben vorzunehmen ist.